«Umkämpfte Zone – Mein Bruder, der Osten und der Hass» von Ines Geipel (Klett.Cotta Verlag)
Woher kommt die grosse Wut im Osten?
Fremdenfeindlichkeit und Hass auf »den Staat«: Verlieren wir den Osten Deutschlands? Das Buch sucht Antworten auf das Warum der Radikalisierung, ohne die aktuell bestimmende Opfererzählung nach 1989 zu bedienen. Es erzählt von den Schweigegeboten nach dem Ende der NS-Zeit, der Geschichtsklitterung der DDR und den politischen Umschreibungen nach der deutschen Einheit. Verdrängung und Verleugnung prägen die Gesellschaft bis ins Private hinein, wie die Autorin mit der eigenen Familiengeschichte, speziell vom Bruder und Vater eindrucksvoll erzählt.
Seit 2015 haben sich die politischen Koordinaten unseres Landes stark verändert – insbesondere im Osten Deutschlands. Was hat die breite Zustimmung zu Pegida, AfD und rechtsextremem Gedankengut möglich gemacht? Ines Geipel folgt den politischen Mythenbildungen des neu gegründeten DDR-Staates, seinen Schweigegeboten, Lügen und seinem Angstsystem, das alles ideologisch Unpassende harsch attackierte. Seriöse Vergangenheitsbewältigung konnte unter diesen Umständen nicht stattfinden. Vielmehr wurde eine gezielte Vergessenspolitik wirksam, die sich auch in den Familien spiegelte – paradigmatisch sichtbar in der Familiengeschichte der Autorin. Gemeinsam mit ihrem Bruder, den sie in seinen letzten Lebenswochen begleitete, steigt Ines Geipel in die »Krypta der Familie« hinab.
Fazit von Kulturonline
Dieses Buch beginnt fast schon harmlos mit der Situation von Ines Geipels Bruder, führt dann jedoch intensiv in die eigene Familiengeschichte, wo der Vater eine ganz gewichtige Rolle spielt. Der Zweite Weltkrieg und die Nachkriegszeit werden von einer ganz persönlichen Seite aus dem Osten berührend aufgerollt. Geipel dazu: Verdrängtes und Verleugnetes in der Familie korrespondiert mit dem kollektiven Gedächtnisverlust. Die Spuren führen zu unserer nationalen Krise in Deutschland. Ein Buch, welches unter die Haut geht.