Viele Aspekte der Wahrheit prägen unser Leben
Heimliches Liebesleben. Helmut Zierl und Susanne Berckhemer in «Die Wahrheit» von Florian Zeller. (c) Fotos: ROPO/MuA
Fragen an die TV-Stars Karin Boyd und Susanne Berckhemer sowie Helmut Zierl und Uwe Neumann zur Wahrheit und zum Stück «Die Wahrheit» - Eine Komödie von Florian Zeller
Die Wahrheit! Und was steckt alles dahinter? Für Kulturonline.ch haben sich die berühmten TV-Stars Karin Boyd und Susanne Berckhemer sowie Helmut Zierl und Uwe Neumann im Zusammenhang mit der Komödie «Die Wahrheit» von Florian Zeller, die in der Tonhalle Wil aufgeführt wurde, zu einer angeregten Fragerunde getroffen. Ganz persönliche Gedanken, Erfahrungen und Einsichten prägten die Auseinandersetzungen mit dem Begriff «Wahrheit».
Was bedeutet Ihnen der Begriff Wahrheit? Oder was verstehen Sie ganz persönlich darunter?
Susanne Berckhemer: «Es gibt Fakten, die sind richtig oder falsch. Wenn man etwas Falsches behauptet, dann sagt man nicht die Wahrheit. Daneben gibt es die subjektiv empfundene Wahrheit, die mit den eigenen moralischen Werten und der persönlichen Wahrnehmung untrennbar zusammenhängt. Ehrlichkeit ist mir wichtiger als Wahrheit.»
Sind Sie wahrhaftig? Und warum?
Susanne Berckhemer: «Ich versuche ehrlich zu sein. Zu lügen, um daraus einen eigenen Vorteil zu ziehen, finde ich verwerflich. In dem Sinne bin ich wahrhaftig. Trotzdem kann man nicht immer, das sagen, was man denkt und fühlt. Die Wahrheit hat auch immer einen Adressaten, den ich nicht absichtlich verletzen oder irritieren möchte. Manchmal ist es situativ auch zu umständlich, die Wahrheit zu sagen.»
Offene Aussprache zwischen zwei Männern: Paul alias Uwe Neumann und Michel, gespielt von Helmut Zierl (v.l.).
Warum ist Ihnen Wahrheit wichtig?
Uwe Neumann: «Mit der Wahrheit habe ich ein ambivalentes Verhältnis. Weil sie manchmal zerstörerisch wirken kann. Wahrheit ist für mich wie ein scheuer Vogel, dessen Gesicht man nur manchmal sehen kann. Wenn man dauernd zur Wahrheit gezwungen wird, dann kommt am Ende nur so was wie eine Lüge raus.»
Was haben Sie aus dem Stück «Die Wahrheit» gelernt?
Uwe Neumann: «Erstmals lernte ich daraus wie eine wirklich gut gebaute Komödie funktioniert. Der Autor Florian Zeller bezieht keine «moralinsaure Stellung», er wertet eigentlich in dieser Komödie nicht, sondern er weist darauf hin, dass es manchmal versöhnlicher sein kann, wenn man lügt.»
Klärendes Gespräch zwischen Ehepaar Michel (Helmut Zierl) und Laurence (Karin Boyd).
Warum waren Sie letztmals nicht wahrhaftig?
Karin Boyd: «Wahrhaftig ist für mich, wenn ich authentisch bin. Lügen ist, wenn ich die Unwahrheit sage. So viel zur Klärung der Begriffe am Anfang. Ich versuche immer authentisch zu sein. Mir ginge es ganz schlecht, wenn ich in wichtigen Dingen lügen würde. Notlügen sind immer wieder möglich, weil man das Gegenüber nicht verletzen will.»
Welchen Stellenwert hat die Wahrheit für Sie in der Liebe, im Leben?
Karin Boyd: «Wenn ich richtig liebe, dann muss ich den Mut zur ganzen Wahrheit haben. Auch muss ich die Kraft haben die Wahrheit zu ertragen. Ich bin seit 36 Jahren in einer Beziehung mit dem gleichen Mann, seit 1991 sind wir glücklich verheiratet. Und mein Mann macht es mir sehr leicht, bei der Wahrheit zu bleiben.»
Was freut Sie an der Komödie «Die Wahrheit»?
Helmut Zierl: «Ganz persönlich freue ich mich an der Vielschichtigkeit der Rolle. Die Figur Michel in diesem Stück ist ein Mann, der Chamäleon gleich immer wieder die Farbe wechselt. In diesem Moment ist er Täter, im nächsten Opfer. Er baut sich seine eigene Moral, und das sehr zur Freude des Publikums. Die Wendungen des Stückes sind faszinierend.»
Was nervt Sie am Stück «Die Wahrheit»?
Helmut Zierl: «Noch nie habe ich in einem Stück so viel lernen müssen wie in dieser Komödie «Die Wahrheit». Es sind ständig Wiederholungen, die aber trotzdem immer wieder unterschiedlich sind. Jeder klassische Text ist mir bisher leichter gefallen. Die textliche Belastung kostete mich Zeit und Nerven.»
Aus dem Programmheft ...
«Die Lüge ist nur dann ein Laster, wenn sie Böses tut. Sie ist nur dann eine Tugend, wenn sie Leiden vermeidet. Lügen Sie, meine Damen. Seien Sie tugendhaft. Ich werde Ihnen bei Gelegenheit Gleiches mit Gleichem vergelten.» (Zitat von Voltaire).
Starker Schluss-Applaus vom Wiler Tonhallen-Publikum für das bestens gestimmte Landgraf-Ensemble. (c) Fotos: ROPO/MuA
Kulturonline.ch: Vielen Dank für das angenehme Gespräch!
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Karin Boyd
Susanne Berckhemer
Uwe Neumann
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Mehr zur Komödie «Die Wahrheit»
Dass es bei einer Komödie mit die Titel «Die Wahrheit» eher um das Gegenteil geht, ist zu erwarten, besonders wenn es sich um einen französischen Schriftsteller und Dramatiker handelt … - und erst recht, wenn der Autor der neue Shootingstar ist, dessen Werke schon in ein paar Dutzend Sprachen übersetzt wurden und in vielen Ländern gespielt werden. Die Pariser Kritik und das Publikum haben den erst 1979 geborenen Florian Zeller schon bei seinen ersten drei Stücken in den Theaterolymp gehoben. Dass ihm auch mit «Die Wahrheit» wieder ein Theatercoup gelungen ist, beweist schon die hochkarätige Pariser Uraufführungsbesetzung. Als Darstellerinnen sind die berühmten Schauspielerinnen Karin Boyd und Susanne Berckhemer zu sehen. Die TV-Stars Helmut Zierl und Uwe Neumann prägen souverän die männlichen Parts.
Zum Inhalt:
Fassungslos sieht Michel, wie sein so kunstvoll errichtetes Beziehungskartenhaus, in dem er sich mit seinem verzwickten Liebesleben zwischen Frau und Geliebter – ausgerechnet mit seinem besten Freund verheiratet – so genussvoll eingerichtet hatte, zusammenstürzt. Durch viele sehr komische Zufälle erfährt er, dass die anderen Drei ebenbürtige Meister des Bluffs und der Täuschung sind. Doch was ist in den Beziehungen der zwei Paare überhaupt die Wahrheit? Immer, wenn man glaubt, sie zu kennen, stellt Autor Florian Zeller dramaturgisch durchtrieben alles wieder auf den Kopf, so dass man bis zum überraschenden Schluss in Atem gehalten wird. Wie es dem windigen Schwerenöter weiter ergeht, darf hier natürlich nicht verraten werden – aber es wäre höchst ungerecht, diesen interessanten Autor nur auf die überraschenden, unvorhergesehene Wendungen seiner Stücke zu reduzieren. Denn eine der höchsten Qualitäten ist seine Fähigkeit, zündende temporeiche Dialoge zu schreiben. Sein Stil wurde bei seinem Theaterdebüt 2004 mit «Der Andere» nicht umsonst immerhin mit dem von Françoise Sagan verglichen! Eine weitere Besonderheit zeigt sich darin, wie es ihm mit einer Leichtigkeit, deren höchste Unterhaltsamkeit Ihresgleichen sucht, gelingt, nicht eindimensionale Typen, sondern Menschen auf die Bühne zu stellen, einzigartige Charaktere zu entwickeln.
www.tonhallewil.ch, www.landgraf.de